piwik no script img

Kürzungen bei Drogenhilfe in BerlinMetall statt Menschen

Viele Angebote zur Drogenhilfe sind kaum angelaufen, da will der Senat sie schon wieder einstellen. An den Plänen für den Görli-Zaun halten CDU und SPD dagegen fest.

Symbol für die verfehlte Sozialpolitik des Senats: der Görlitzer Park in Kreuzberg Foto: Joerg Carstensen/dpa

Berlin taz | Sie konsumieren Drogen, sind zum Teil wohnungs- und obdachlos – und oft minderjährig: Rund 50 suchtkranke Jugendliche und junge Erwachsene erreichen die zwei Street­wor­ke­r*in­nen von Gangway jeden Monat mit ihrer Arbeit am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Das Projekt besteht erst seit April und wird mit Geldern aus dem sogenannten Sicherheitspaket finanziert, das der Senat 2023 beschlossen hatte.

Doch wenn es nach CDU und SPD geht, ist damit bald Schluss. Im Haushaltsentwurf für die kommenden beiden Jahre sind keine Mittel mehr für die sozialen und gesundheitspolitischen Maßnahmen des Sicherheitspakets vorgesehen. Geld soll es dann nur noch für den Zaun um den Görlitzer Park und für Videoüberwachung geben.

Nach nur acht Monaten könnte die Arbeit der So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen von Gangway am Kotti also bald abrupt enden. Für Hanna Lauter, die bei dem Träger die Projekte in Friedrichshain-Kreuzberg koordiniert, ist das völlig unverständlich. „Beziehungsarbeit bildet unsere Arbeitsgrundlage. Die fällt weg, wenn Projekte nicht verstetigt werden“, betont Lauter am Mittwoch. Die Zielgruppe am Kotti sei sehr vulnerabel, es gebe große Verelendung: „Das sind überlebenswichtige Hilfen.“

Erfolgreiche Projekte vor dem Aus

Rund 30 Millionen Euro hatte das Land über zwei Jahre zur Verfügung gestellt, um den Problemen mit Drogenkonsum, Verwahrlosung und Kriminalität an verschiedenen Orten in Berlin beizukommen. Neben dem Projekt von Gangway stehen viele weitere erfolgreiche Angebote vor dem Aus: etwa das „Peer-Projekt“ der Drogenhilfe Fixpunkt, bei dem Menschen aus der Drogenszene gemeinsam mit So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen Konsummaterialien einsammeln.

Der Senat hat beschlossen, den öffentlichen Raum aufzugeben

Clara Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg

„Der Senat hat beschlossen, den öffentlichen Raum aufzugeben, das zeigt der Haushalt eindeutig“, kritisiert Clara Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Sicherheit entstehe nicht durch repressive Maßnahmen wie Zäune oder Videokameras, sondern durch soziale Gerechtigkeit und mehr Teilhabe. „Das Parlament muss dringend andere Prioritäten setzen“, fordert Herrmann mit Blick auf die anstehende Haushaltsdebatte im Abgeordnetenhaus.

Konkret wolle sie Angebote für Wohnungslose und für Suchtkranke stärker mitein­ander verbinden. Nur so lasse sich das Thema Konsum in der Öffentlichkeit effektiv angehen.

Raphael Schubert von Fixpunkt unterstützt das. „Menschen, die im öffentlichen Raum konsumieren, machen das ja nicht gerne“, betont er. Neben Konsumräumen biete der Träger seit Kurzem auch Tagesschlafplätze in unmittelbarer Nähe zum Görlitzer Park an. Die seien auch mit Blick auf den nahenden Winter essenziell. „Das sind Maßnahmen, die nicht nur den suchtkranken Menschen zugutekommen, sondern auch den An­woh­ne­r*in­nen im Bezirk“, erklärt Schubert.

Den Kiezhausmeistern gekündigt

Neben den Geldern aus dem Sicherheitspaket will der Senat auch weitere Mittel für Projekte im öffentlichen Raum streichen. Etwa soll der Topf „Saubere Stadt“ bei der Senatsumweltverwaltung um rund die Hälfte gekürzt werden. Damit dürften die Kiezhausmeister in Friedrichshain-Kreuzberg und die Parkläufer in der ganzen Stadt bald Geschichte sein. Zum Teil sei den Mit­ar­bei­te­r*in­nen bereits gekündigt worden, hieß es vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwoch.

Das bedeutet auch: Selbst wenn die Kürzungen im Zuge der Haushaltsberatungen doch noch teilweise zurückgenommen werden, sind die bisherigen erfahrenen Mit­ar­bei­te­r*in­nen dann wohl nicht mehr verfügbar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare